Piazza Virtuale - Experimentalfernsehen und TikTok der 90er?

Shownotes

Unsere Arbeitgeberumfrage für ITler https://fittkaumaass.com/golem/umfrage

Infos zu Van Gogh TV https://de.wikipedia.org/wiki/Van_Gogh_TV

Der Dokumentarfilm der Hochschule Mainz zu Van Gogh TV https://video.hs-mainz.de/Panopto/Pages/Viewer.aspx?id=4c0ad45d-1725-4f8c-ace4-adf300e2fc63

Die Projektwebsite der Hochschule Mainz mit Material und Buch zum Download https://vangoghtv.hs-mainz.de/

Die Technik des Projektes https://vangoghtv.hs-mainz.de/?page_id=86789

Slow-Scan - die Technik hinter der Bildübertragung https://vangoghtv.hs-mainz.de/?page_id=86789

Transkript anzeigen

00:00:00: Bevor es mit dem Podcast losgeht, ein kurzer Hinweis in eigener Sache.

00:00:04: Aktuell läuft auf Golem.de die große, jährliche Arbeitgeber-Umfrage für ITILA.

00:00:09: Wie geht es euch und eurer Firma?

00:00:10: Seid ihr zufrieden mit eurem Gehalt, der Unternehmenskultur und dem Führungsstil eurer Chefs?

00:00:15: Eure Antworten zählen.

00:00:16: Holt eure Firmen aus ihrer Bubble und sagt ihnen, was ihr für gute Arbeit braucht.

00:00:20: Die Umfrage ist anonym und dauert nur 10 Minuten.

00:00:23: So, Umfrage kommt ihr über die Golem-Karrierewelt unter karrierewelt.golem.de.

00:00:30: Den Link findet ihr aber auch in den Shownotes.

00:00:33: Besser wissen, der Podcast von Golem.de.

00:00:38: Hallo und herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe.

00:00:41: Mein Name ist Martin Wolff und ich bin Podcastbeauftragter von Golem.de.

00:00:44: Und ich befinde mich heute in meinem Büro in Berlin.

00:00:48: Und mir, ich werde jetzt jetzt fast gesagt zugeschaltet.

00:00:51: Nein, mir gegenüber sitzt Professor Doktor Tillmann Baumgärtel

00:00:56: von der Hochschule Mainz und neben ihr sitzt Benjamin Heydersberger.

00:00:59: Hallo ihr beiden.

00:01:00: Hallo, Guten Tag.

00:01:02: Und wir haben vorher ein Vorgespräch geführt, was schon Monate her ist.

00:01:06: Aber wir haben uns gerade auch noch so ein bisschen unterhalten und Tillmann hat festgestellt,

00:01:09: dass Podcasts, die er hört oder gehört hat als Beispiele, sich dadurch auszeichnen,

00:01:14: dass die Leute anscheinend immer mal gemeinsam lachten.

00:01:17: Also dann irgendwie, es musste halt, um so eine Gemeinsamkeit zwischen den Hosts

00:01:21: und den Gästen herzustellen, musste gemeinsam lacht werden.

00:01:23: Wenn das Werte Publikum sich mehr solche Interaktionen wünscht,

00:01:26: bitte Zuschriften an podcast@golem.de.

00:01:30: Ansonsten fangen wir jetzt heute einfach an mit dem heutigen,

00:01:32: fangen wir jetzt einfach an mit dem heutigen Thema.

00:01:34: Und das ist van GoghTV, noch spezifischer Piazza-Virtuale.

00:01:40: Ich muss gestehen, dass ich, wie so häufig bei diesem Podcast,

00:01:45: ich habe keine Ahnung mehr, wie ich auf dieses Thema gekommen bin.

00:01:48: Mitunter laufen mir Sachen einfach beim Serven auf diesem Daten-Highway vor die Räder.

00:01:55: Und ich klicke dann drauf und das ist aber in meiner Freizeit.

00:01:58: Und ich denke mir, nee, aber doch.

00:02:00: Und dann mache ich es einfach Steuern C, schmeiße es in einen Kalendereintrag,

00:02:03: ein paar Wochen in der Zukunft.

00:02:06: Und dann lasse ich den späteren Martin sich darum kümmern.

00:02:10: Das ist, wie ich sozusagen vermutlich zum heutigen Thema gekommen bin.

00:02:13: Ich fange jetzt aber mal damit an, Thielmann, wie bist du denn dazu gekommen?

00:02:18: Also ich bin Medienwissenschaftler, das ja schon gesagt worden.

00:02:21: Ich unterricht an der Hochschule Mainz.

00:02:23: Und mein Fachgebiet sind die sozialen Medien, die Internetkultur.

00:02:29: Und da ist van GoghTV ein wichtiger Vorläufer gewesen.

00:02:33: Vielleicht kann ich auch gleich ganz kurz umreißen, worum es ging.

00:02:35: Das waren für mich, wie gesagt, ein soziales Medium vor dem Internet.

00:02:40: 1992 bei der Dokumenta der großen internationalen Kunstausstellung Kassel

00:02:46: hat das stattgefunden und ja eine Gruppe von Künstlern und Hackern

00:02:50: hat hundert Tage lang so lange dauert die Dokumenta

00:02:52: einen eigenen Fernsehsender betrieben.

00:02:55: Und der Sinn dieses Fernsehsenders war eben so viel Interaktion

00:02:58: mit dem Publikum wie möglich auszulösen.

00:03:01: Also traditionellerweise ist das Fernsehen ja ein Massenmedium.

00:03:04: Das heißt, es gibt einen Sender und der strahlt aus

00:03:07: und alle anderen empfangen nur.

00:03:08: Und Benjamin, der das hoffentlich gleich in größere Detailfreude darstellt

00:03:14: und seine Kollegen haben eben versucht das Fernsehen sozusagen umzupolen

00:03:20: und das Publikum zur Mitgestaltung der Inhalte

00:03:22: und zum participatorischen Mitspieler sozusagen zu machen.

00:03:28: Also das Stichwort Brechtschermatikradiotheorie sozusagen.

00:03:32: Genau, der passive Konsument sollte zum aktiven Produzenten

00:03:36: von Inhalt und Information und Interaktion werden.

00:03:40: Weil wenn man sich mal zurückversetzt Anfang der 90er,

00:03:43: es gab schon so eine Art interaktive Fernseh-Formate.

00:03:47: Man erinnert es, also die Leute, die das mal erinnern, oh mein Gott,

00:03:50: man hat dieses Beileid, dass man sich jetzt daran erinnern muss,

00:03:52: weil ich es jetzt erzähle.

00:03:53: Es gab ganz furchtbare Sendungen zum Beispiel an ZDF, wo man durchdrücken,

00:03:57: der Welt-Taste auf dem Fernsehen beeinflusste wohin eine Figur in einem Labyrinth ging

00:04:02: und dabei wurden schreckliche Töne abgespielt.

00:04:04: Das war ja gerade ein Interaktion, 1992, und ich muss gestehen,

00:04:11: als sehr junger Zuschauer damals, ich fand die Grafik toll.

00:04:13: Also mich hat das beeindruckt, weil das halt irgendwie cool aussah oder so.

00:04:17: Aber wenn man jetzt das weiter denkt eben daran,

00:04:21: dass man wirklich was erschaffen kann, also wie kommt man überhaupt auf so eine Idee?

00:04:25: Also was ist sozusagen, was ist der Grundschlamm, aus dem das entstanden ist?

00:04:30: Ganz kurz, ich wollte vielleicht noch eine Sendung exemplarisch bemerken,

00:04:34: das ist Vikitoriani, der goldene Schuss.

00:04:40: Da hattest du halt nicht die direkte Interaktion, aber da hat, glaube ich,

00:04:43: der Zuschauer dann angerufen und gesagt, links, rechts, oben, unten,

00:04:47: und dann ist halt geschossen worden.

00:04:49: Ein Armbus für die Kamera hin und her bewegt, ja.

00:04:53: Und es gab natürlich im Radio diese Call-In-Shows.

00:04:57: Also wir sind jetzt beim sehr technischen Begriff von Interaktion,

00:04:59: dass man irgendwann einen Knopf drückt oder einen Befehl gibt,

00:05:01: und dann wird der vor der Kamera oder im Computer ausgelöst.

00:05:08: Nein, also ich glaube, der Schwerpunkt lag eigentlich auch bei Piazza Virtuale

00:05:12: auf der Kommunikation, der Interaktion unter Menschen.

00:05:16: Genau, also technisch vermittelte Kommunikation zwischen Menschen.

00:05:20: Vielleicht stelle ich mich noch mal vor.

00:05:23: Mein Name ist Benjamin Harersberger, was mir erst mal an diesem Punkt sehr wichtig ist,

00:05:29: ich bin Teil eines Kollektivs.

00:05:32: Mike Hens, Salvatore Vanasco, Karol Dudeseck und ich,

00:05:36: so wie ein mindestens 30-köpfiges Team von Spezialisten,

00:05:40: wahnsinnigen Designern, Programmierern,

00:05:44: mit denen wir das gemeinsam gemacht haben.

00:05:46: Und das ist auch eine der ganz besonderen Eigenschaften dieses Projekts,

00:05:50: dass halt ein kollektives Kunstwerk war,

00:05:52: was immer wieder zu interessanten Diskussionen führt.

00:05:57: Ich selber komme eigentlich mehr aus den Naturwissenschaften,

00:06:01: hab also Physik, Biologie, Informatik studiert,

00:06:04: allerdings nie zu Ende, weil es mir zu langweilig war.

00:06:07: Und bin sehr früh in die Kunst abgebogen,

00:06:09: hab also verschiedene Künstlergruppen gehabt,

00:06:11: zum Teil in Wolfsburg mit Peter Elstner zusammen,

00:06:14: wo wir von experimenteller Vokalmusik über Architektur

00:06:19: bis zu Lebensentwürfen gearbeitet haben,

00:06:23: bin dann nach Hamburg gegangen,

00:06:25: bin da in die Computerindustrie gegangen,

00:06:28: in die sehr frühe, also IBM, PC, Polysoft, ABC Trading später,

00:06:34: bin dann Journalist geworden, also bei Mac-Up

00:06:36: und dann endgültchen die Kunst abgebogen.

00:06:39: Also ich hab dann mit Glieder der Gruppe

00:06:42: Minus Delta T damals kennengelernt in Wolfsburg,

00:06:44: also Karol, der sich als Kunstwerk nach Wolfsburg geschickt hat,

00:06:48: schicken lassen hat.

00:06:50: Und dann gab's halt dieses legendäre Bangkok-Festival,

00:06:54: 1994 in Bangkok, wo ein ... - 1984.

00:06:58: - 1984, Entschuldigung, ja, nicht, dass wir durcheinander kommen.

00:07:02: Und wo letzten Endes Minus Delta T

00:07:06: einen 5,5 Tonnen schweren Stein von England in die Malaya gebracht hat,

00:07:11: auf einem alten klapprigen Bedford-Laster,

00:07:13: der ist auch vom Papst gesegnet worden und so weiter.

00:07:15: Das ist eine sehr bewegte Geschichte so.

00:07:18: Und dann in den 80ern haben wir angefangen,

00:07:21: enger zusammenzuarbeiten, viel auf Ars Electronica,

00:07:26: so '86 haben wir erste Experimente gemacht auf der Ars Electronica.

00:07:31: Dann '87 oder ja, '86 war Europäisches Medienkunstfestival,

00:07:37: wo wir schon mal einen ersten interaktiven Sender betrieben haben.

00:07:43: Ich glaube, die Reihenfolge war anders erst auf der Dokumenta

00:07:47: und dann noch mal in Kassel.

00:07:49: Dokumenta war Radio, also so, wie Thymann schon gesagt hat,

00:07:53: mit Call-In-Shows, du konntest da halt anrufen,

00:07:56: Sendungen mitgestalten, konntest du auch in Studio kommen,

00:07:59: kannst du Sendezeit gekriegt, konntest du eine eigene Sendung machen.

00:08:03: Was so ein bisschen in der Tradition der damals aufkommenden,

00:08:06: offenen Kanäle war, ganz wichtige Entscheidung in Deutschland,

00:08:10: um die Qualität des Öffentlich-Rechtlichen zu verbessern,

00:08:12: hat man das private Fernsehen ins Leben gerufen,

00:08:15: was meiner Meinung nach voll nach hinten losgegangen ist.

00:08:17: Aber das noch mal ein anderes Thema.

00:08:20: Und ja, wir haben dann eben '87 dieses längere Projekt

00:08:27: "Kulturpolizei" auf der Dokumenta 6, 7, 8, 8.

00:08:33: Und dann eben auf der Dokumenta 9, also nach mehreren Zwischenprojekten,

00:08:39: die auch interessant sind, weil sie nochmal zum Beispiel

00:08:42: eine interaktive Spielesshow hatten, das war Hotel Pompino.

00:08:46: 1990 und dann eben dieses gigantische Projekt "Biazervirtuale".

00:08:52: Thymian hat es, glaube ich, schon ganz gut umrissen.

00:08:56: Es ging um den Versuch, eine technisch vermittelte Kommunikation

00:09:01: zwischen Menschen aufzubauen, eben diese brechtische Radiotheorie,

00:09:04: wobei wir das alles damals eher nicht von der Theorie her betrachtet haben,

00:09:09: sondern einfach, wo ist der Input, wo ist der Output,

00:09:13: wie kann ich das zusammenstecken, was kann ich damit machen,

00:09:15: was ist möglich, und wir hatten halt auch das Glück,

00:09:18: dass damals sich sehr viel um Umbruch befand,

00:09:22: also vom Analogen zum Digitalen, viele neue Geräte kamen,

00:09:26: viele Geräte, die vorher sozusagen nicht für einen professionellen Einsatz geeignet waren,

00:09:32: haben wir plötzlich benutzt, um Fernsehsendungen zu machen,

00:09:35: auch sehr wichtig im Sinne des Empowerments.

00:09:37: Und daraus ist halt dieses wilde Gebräu von "Biazervirtuale" entstanden,

00:09:42: was über 100 Tage ging.

00:09:46: Wir haben glücklicherweise eben sieben Stunden am Tag senden können,

00:09:53: wir hatten einen eigenen Abling von der Telekom auf einen halb kaputten Satelliten namens Olympus 2,

00:10:01: mit dem wir nochmal eine eigene Szene erreicht haben in Europa,

00:10:04: also die ganzen Leute, die mit einer Empfangsantenne direkt was empfangen können,

00:10:11: und eben natürlich den normalen Weg über das Dreisad-Netzwerk.

00:10:15: Genau, das wollte ich jetzt ergänzen, dass halt das Wichtige, glaube ich, war,

00:10:20: dass sieben Tage pro Woche "Biazervirtuale" mit Fernsehern, die um Kabelnetz angeschlossen waren,

00:10:28: in Deutschland, Österreich und der Schweiz teilweise, zu empfangen gewesen ist,

00:10:33: unter der Woche vormittags, am Wochenende die ganze Nacht durch,

00:10:37: und das hat halt schon großes Publikum jenseits von so einem Dokumentarpublikum

00:10:42: oder auch von so einer Hacker-Szene erreicht und unter anderem auch mich,

00:10:46: also das ist die zweite Antwort auf die Frage, die mir gerade gestellt wurde,

00:10:51: wie bin ich eigentlich dazugekommen, also ich habe das damals im Fernsehen gesehen,

00:10:54: war sehr verwirrend, also ich kann auch nicht sagen, dass ich das jetzt mit großem Genuss gesehen habe,

00:10:58: es war ein Experiment 26 und so ging es eigentlich den meisten,

00:11:05: also es hat auch Fans natürlich gegeben, aber das ist halt aus heutiger Perspektive

00:11:11: vollkommen unvorstellbar, dass so ein wildes Gebräu aus verschiedenen Experimenten und Ansätzen

00:11:17: einfach so im Fernsehen übertragen wurde, ohne Einwirkungen des Senders auch,

00:11:21: also ihr hattet da sehr große oder eigentlich komplette inhaltliche Freiheit und...

00:11:27: Toll, aber noch mal ein anderes Thema.

00:11:30: Ja, gut, aber auf jeden Fall hat da keine Redaktion in Mainz gesessen und das Ganze betreut,

00:11:34: und ja, dadurch ist da eben sehr viel gesendet worden, was beim Zuschauer halt auch Irritation

00:11:42: und Verwirrungen ausgelöst hat, wenn man einen anderen Ende saß und nicht wusste,

00:11:45: was ich dahinter gönne abspielen. Was mir vorstellen kann, gewollt war.

00:11:49: Also gewollt, es hat natürlich auch, ich glaube Thymann hat das auch sehr schön beschrieben in seinem Buch,

00:11:57: oder in seiner ganzen Untersuchung, es ist natürlich auch so eine Start-up-Kultur gewesen,

00:12:03: die nochmal auf eine andere Weise mit Dingen anfängt, wo man einfach mal loslegt und was macht

00:12:10: und ohne dass da ein Ziel, ein Plan oder eine Finanzierung dahinter steht.

00:12:14: Ich wollte nochmal auf diesen anderen Aspekt zurückkommen, das ist dieser "The Community".

00:12:18: Also wir haben halt tatsächlich, da ich das so offen war, haben sich Leute zu Hause Workstations aufgebaut,

00:12:25: wo sie halt Telefon-Fernsehen, Computer, Bildtelefon, sofern sie das hatten irgendwie an einem Ort zusammen hatten

00:12:32: und dann auch mitgemacht haben und dieser Community-Gedanke, der ist natürlich sehr wichtig bei sozialen Medien,

00:12:39: das halt eine wirkliche Interaktion stattfindet.

00:12:42: Du hast gerade das Buch erwähnt, wir verlinken das natürlich, wir verlinken auch sonstiges Material,

00:12:45: was wir jetzt hier im Podcast besprechen in den Show-Nurts, das kann man tatsächlich kaufen, herunter lernen.

00:12:50: Es gibt auch ein Video, es gibt eine Seite dazu, das wollte ich nur der Vollständigkeit halber bemerken

00:12:56: und weil wir gerade dabei sind, wie leicht so was heute geht und du es gerade kurz angesprochen hast.

00:13:01: Also vielleicht ordnet man nochmal ein, die Idee, dass man einfach eine Kamera nimmt und ein Signal irgendwo einspeist,

00:13:09: Schrägstrich sogar hoch lädt, war dermaßen ausgeschlossen.

00:13:14: Also es ist nicht eine Möglichkeit, die einem normalen Menschen damals zur Verfügung stand, hätte

00:13:19: und selbst wenn den normalen Menschen, ich sag jetzt mal, 500.000 Mark gehabt hätte, das wäre ein Tropfen auf einem heißen Stein gewesen.

00:13:25: Auch damit hätte man keine Übertragung in irgendwie nennenswerten Größenordnungen hinbekommen können.

00:13:32: Jetzt hast du schon gesagt, ihr hattet die Unterstützung natürlich von Fernsehsendern,

00:13:35: also von Leuten, die entsprechende Technologien in der Hinterhand haben, aber die müssen ja auch bedient werden.

00:13:40: Und man muss auch um sowas konzeptionell zu machen, eine Ahnung davon haben, was grundsätzlich dem zugrunde liegt.

00:13:47: Wo kam das her?

00:13:49: Gut, ich denke mal, das sind ganz praktische Überlegungen gewesen.

00:13:53: Also ich hatte mal so testweise mit einem Freund, Rainer Kollog, Tick-Tack-Tor programmiert,

00:14:00: wo man sozusagen auf der Telefon-Tastatur Tick-Tack-Tor gemeinsam auf einem Fernsehbild spielen kann.

00:14:06: Damit war sozusagen mal dieser Grundgedanke gelegt.

00:14:09: Also ist man den Touchtone von den Telefon-Tastatur dekudiert und damit eben Steine setzt.

00:14:15: Und auf dieser Überlegung startend haben wir halt viel entwickelt.

00:14:19: Also zum ersten Mal möglich, oder es war möglich, mit einem Computer einen Video-Signal zu erzeugen, was sendbar war.

00:14:27: Das war damals der Macintosh 2FX, hatten wir mit Videokarten drin.

00:14:33: Dann haben wir halt locker einen Dutzend verschiedene Module entwickelt von Verkaufssendung über Chatrooms,

00:14:43: über ausgerichtete Chatrooms in bestimmten Themen, alles Mögliche, eine Roboter-Kamera,

00:14:50: viele Dinge, die später auch letztendlich in anderer Weise eine Rolle gespielt haben.

00:14:56: Was sehr wichtig uns damals war, war der Gedanke von live.

00:14:59: Also nur live ist live und wir haben halt Sendungen auch nicht vorproduziert,

00:15:05: sondern in vollem Risiko ohne Zeitschleifen direkt auf den Sender gegangen.

00:15:11: Und das ist natürlich, ich meine, da passiert es halt, dass jemand anruft und scheißes Schreit oder Erhitler oder Tötetelmutkohl

00:15:21: und dann ist es halt gesendet so, und das sind eben auch Dinge, die dann auch passiert sind.

00:15:26: Das ist doch aus Medienrechtlicher, also ich kenne das nur so weit, weil ich mal für einen Fernseher gearbeitet habe,

00:15:32: und wir mussten das alles archivieren und wäre so was passiert bei uns, da hätten wir aber ein Problem gehabt.

00:15:39: Wie lässt sich das einordnen, dass das dann ging?

00:15:43: Ist das Teil der Kunstfreiheit oder wo kommt das her?

00:15:46: Ja, das war halt damals noch eine etwas unreguliertere Zeit natürlich.

00:15:51: Der Kanal Dreisat, der das ausgestrahlt hat, hatte auch so einen Auftrag, diese Art von Experimenten möglich zu machen,

00:15:59: aber muss natürlich auch sagen, und das war so eine von den interessantesten Ergebnissen meiner Recherche,

00:16:06: dass halt diese totale Freiheit nicht uneingeschränkt durchgehalten werden konnte,

00:16:11: sondern dass da halt sehr früh auch gewisse Regulationsmechanismen eingeführt worden sind,

00:16:16: namentlich halt das vom Sender aus, vom ZDF, das letztlich hinter Dreisat steht,

00:16:21: eben eine sogenannte Zensoren in den Senderraum gesetzt wurde.

00:16:27: Also man sollte vielleicht irgendwann mal sagen, damit man sich ein bisschen besser vorstellen kann,

00:16:30: was hat man da am Fernsehen gesehen und gehört?

00:16:32: Also es war, wie gesagt, der größte Teil der Sendung waren eigentlich Call-In-Shows,

00:16:36: also dass sich Leute bis zu vier, die gleichzeitig Anrufen haben, unterhalten haben.

00:16:40: Und dann gab es ein Computer-Chat, da waren es auch noch ganz neu auf so einer BBS-Mailbooks-Basis und kleine Computer-Animationen.

00:16:50: Es gab auch Live-Sendungen, aber so der Normalzustand war eigentlich, dass sich Leute unterhalten haben,

00:16:59: was auch erst mal gelernt werden musste, die ersten Anrufe haben Hallo gesagt und wieder aufgelegt.

00:17:04: Daher auch der Spitzname "Hallo TV", aber so nach der Hälfte, glaube ich, der Sendezeit,

00:17:09: kann man sagen, hatte sich ja so eine gewisse Kultur etabliert, die Leute haben auch angefangen,

00:17:13: irgendwie gemeinsam mit Themen zu finden, aber um halt so was, was Benjamin gerade beschreibt, zu verhindern,

00:17:19: saßen halt jemand, der, wenn da das Gespräch aus dem Ruder gelaufen ist oder einzelne Leute aus dem Ruder gelaufen ist,

00:17:25: die eben auch aus der Leitung geworfen haben.

00:17:27: Das wäre interessant. Das ist halt ein Projekt, das letztlich schon unter der Koordination von einem öffentlich-rechtlichen Sender stattfindet.

00:17:35: Das fasst von Anfang an mitdenkt und bei Facebook hatten die am 10 Jahre Gebrauch, bis sie Content-Moderationen eingeführt haben.

00:17:42: Und wieder fast, und jetzt wieder abschaffen.

00:17:45: "Move fast" und "Break things", wir gucken einfach mal, was passiert.

00:17:48: Und jetzt haben wir eine vollkommen toxische, politische Kultur und irgendwie Lüge und Wahrheit sind nicht mehr aus den Anzeiten von Autonomalverbraucher.

00:17:56: Das passiert halt, wenn man diese Art von Pläne, von Öffentlichkeiten halt komplett den Markt überlässt und das ist in dem Fall nicht geschehen.

00:18:06: Was vielleicht ganz wichtig ist, ist, wir haben eine andere Zeit, also es ist ja jetzt vor 33 Jahren sozusagen gewesen.

00:18:14: Ich habe das Gefühl, dass die Leute auch wohlerzogener waren, also irgendwo auch mehr Achtung voneinander hatten,

00:18:20: auch wenn es natürlich Ausfälle gab oder auch Dinge, die vielleicht nicht gut waren.

00:18:26: Aber im Großen und Ganzen ist letztendlich diese Form von, wie heißt das, Kommentarspalten von irgendwelchen Blocks oder irgendwas guckt,

00:18:39: dann wird einem ja schlecht, also was Leute reden, wie Leute miteinander reden, nicht aufeinander eingehen, übereinander herziehen.

00:18:48: Also da, das ist vielleicht nochmal ein eigenes Thema, was wir vielleicht auch mal besprechen sollten ist.

00:18:53: Was heißt soziale Medien, was haben wir da getan, womit haben wir eigentlich angefangen oder unseren Beitrag geleistet so.

00:19:03: Die Freiheit, möchte ich nochmal darauf hinweisen, ist natürlich mehrfach begründet gewesen.

00:19:08: Zum einen hatten wir ja Dr. Walter Conrad, der war Intendant vom Dreisatz, meiner Meinung nach ein sehr konservativer Mensch,

00:19:16: der aber erstaunlicherweise diese Sache befürwortet hat, also es ist von höherer Seite abgesegnet worden.

00:19:24: Dann sind wir natürlich ein Kunstfernsehen gewesen, weil wir quasi auch von der Dokumenta gesendet haben.

00:19:29: Kunst ist natürlich bekanntermaßen frei in Deutschland, sollte es zumindest sein.

00:19:34: Und natürlich auch Mitarbeiter sowohl von den Fernseherseite aus, wie auch von uns,

00:19:43: die natürlich miteinander umgegangen sind, also die Zensoren, also Kathrin Brinkmann, man kann den Namen mal nennen,

00:19:50: die bei uns war, hat auch nicht eine Taste gehabt, wo sie drauf drücken konnte und dann ist irgendwas passiert,

00:19:56: sondern sie hat dann wiederum mit dem zuständigen Redakteur bei uns gesprochen und gesagt, geht das jetzt, geht das nicht?

00:20:01: Und der hat dann letztendlich die nötigen Schritte gemacht, um so Konversationen zu beenden.

00:20:07: Wie muss ich mir das vorstellen? Haben die dann einfach ein Regler runtergezogen oder?

00:20:11: Nee, es ist so, dass wir eine zentrale Telefonanlage hatten, also vielleicht noch mal so ein bisschen Abweichung in die Technik.

00:20:20: Also was wirklich ganz toll war, war, dass wir halt ein komplettes, computergeneriertes Studio-Setup hatten,

00:20:26: was überhaupt mit den wenigen Leuten das überhaupt alles ermöglicht hat.

00:20:30: Also ich muss dazu sagen, nach 100 Tagen, 700 Stunden Live-Sendung bis so durch, also das ging uns auch nicht anders,

00:20:37: aber trotzdem, dass es überhaupt funktioniert hat, hat sehr viel damit zu tun, dass wir sehr massiv Computer eingesetzt hatten.

00:20:44: Wir hatten halt ungefähr, glaube ich, 20 oder 30 Telefonleitungen, die bei uns ankommen konnten

00:20:50: und die konnten wir einfach alle elektronisch einfach auflegen, wenn Dinge aus dem Ruder liefen.

00:20:56: Eine Technologie, die verwendet wurde, habe ich mir aufgeschrieben, war ISDN.

00:21:00: Wir haben tatsächlich, also ISDN war damals ja der große deutsche Versuch, Breitband zu machen,

00:21:06: eigentlich auch eine ganz interessante Technologie, die bis zu 128K-Übertragungsrate kann aus heutiger Sicht wenig,

00:21:13: aber reicht halt gerade, um Bewegtbild mit Ton so mehr oder weniger in schlechter Qualität zu übertragen.

00:21:21: Und das war auch ein sicherlich wichtiger Input von der Telekom, dass die halt damals versucht haben,

00:21:27: diese ganze Videotelefonie, die ja heute so normal ist, auszuprobieren.

00:21:33: Ich verweise hier in Schamloser Eigenwerbung auf die Folge mit Harald Welte zu ISDN,

00:21:38: die sich in diesem Podcast befindet, wo wir dann mehr darauf eingehen, was das Technische ist und wie das aus Geschichtlich sich einlässt.

00:21:44: Ich fand es nur so spannend, dass also dieses, an der Kante der Technologie, du hast es schon gesagt,

00:21:52: es gibt ein computergeneriertes Studio, das alles wird mit Rechnern gemacht.

00:21:55: Und auch wenn ich jetzt vorhin so die große Keule geschwungen habe zum Thema mit 500.000 Mark, kann man nichts machen.

00:22:00: Aber selbst zu dem Zeitpunkt gab es eben schon, wie du gesagt hast, Rechner, die das Ganze, was noch zehn Jahre vorher,

00:22:07: vollkommen undenkbar gewesen ist, zumindest in einem halbwegs, sagen wir mal, vorstellbaren Rahmen für normale Menschen so gerückt hat.

00:22:16: Also, dass nicht mehr Hundertschaften von Leuten irgendwas machen mussten oder auch ein einfaches Bild einzublenden, irgendwie fast unmöglich war.

00:22:24: Und du hast gerade gesagt, da saßen dann Leute sieben Stunden am Tag, plus natürlich die Stunden, die die Vorbereitungen alles brauchen.

00:22:31: Dieses Team, die da so dran gearbeitet haben, was ist aus denen geworden?

00:22:36: Also sind die, weil ich kann mir vorstellen, wenn man das auf seinem Zettel hat, also sowohl im Sinne von der Lebenslauf als auch immer,

00:22:43: aber auch was es für einen selbst bedeutet, an sowas teilgenommen zu haben, das ist schon auch was Besonderes, oder?

00:22:48: Also Lebensläufe sind ja mal so und mal so.

00:22:53: Es gibt einige, aus denen ist richtig was geworden, in Anführungsstrichen, und es gibt einige, die danach wieder irgendwo in der Versenkung untergetaucht sind.

00:23:02: Also, ich glaube, dass das relativ normal ist.

00:23:04: Aber es gibt, ich treffe immer wieder Menschen, die halt tatsächlich durch die Arbeit bei Ponton oder van Gogh TV damals ganz wichtige Impulse in ihrem Leben bekommen haben

00:23:16: und noch heute nach von CERN darüber nachzudenken, wie man auch arbeiten kann.

00:23:21: Also, wenn man sozusagen Menschen freilässt, was zu machen, was dann an Kreativität und noch an vielen anderen Dingen rauskommt.

00:23:31: Und das ist für mich auch eine sehr bleibende Erfahrung, so einen Raum geschaffen zu haben, der das über Jahre ermöglicht hat,

00:23:38: also die Finanzierung und die ganzen menschlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen zu haben, dass das ging.

00:23:46: Jetzt haben wir so ein bisschen das Team am Wickel gehabt, zählen wir mal, was gibt es denn im Narinein oder was ist dann dir noch zu gelaufen

00:23:55: oder was hast du gefunden, wie es sich, wie die Außenwirkung war, was waren die Auswirkungen an?

00:23:59: Ja, es ist natürlich zunächst mal im Rahmen der Dokumentarezipiert worden, also als Begleitprogramm eine Ausstellung.

00:24:08: Da hat relativ viel Debatte erst mal stattgefunden, aber dann ist natürlich auch das Publikum gegeben.

00:24:13: Und da hat sich eigentlich so eine richtig gehende Szene oder wie man später genannt hätte, virtuelle Gemeinschaft entwickelt,

00:24:21: namentlich unter den Leuten, die das nicht im Fernsehen gesehen haben, sondern eben diese Satellitenübertragung mit eigenen Satellitenschüsseln aufgenommen haben.

00:24:30: Und das waren halt auch Leute, die da so eine technische Nähe dazu hatten zum größten Teil, das waren auch so Nerds,

00:24:35: die dann zum Teil auch nach Kassel gekommen sind, das kann man ja wieder im Grunde besser erzählen.

00:24:39: Und ja, da hat man halt auch so dieses gemeinschaftsstiftende Moment von so einem eigentlich erstmal technischen Impuls gesehen.

00:24:48: Und ja, auch da kann man wieder parallelen zu Gegenwart ziehen oder auch ein Stück weit beobachten, wie das halt so Vorgänger von Sachen, die heute wichtig sind gewesen ist.

00:25:00: Also da gehört einmal halt generell das Streaming dazu.

00:25:03: Und also, wenn man sich jetzt mal einfach mal vorstellen will, was sah man auf dem Monitor, sah das gar nicht so anders wie Twitch aus.

00:25:09: Ganz oft gab es halt ein Bild aus dem Studio oder von Leuten, die vor diesen Kameras saßen und geredet haben.

00:25:18: Und dann gab es da drunter so ein Computer Chat.

00:25:20: Aber im Unterschied zu Twitch konnte man da halt auch direkt anrufen.

00:25:24: Das ist eigentlich auch so eine Qualität, die bis heute mir jetzt, wo ich weiß, dass es ginge, auch fehlt.

00:25:29: Und ich glaube, da kommt auch viel von dieser Gemeinheit in den Online-Debatten her, weil da dort der Keyboard-Warriors allein zu Hause sitzen und irgendwie an die Tastatur tippen und einhacken und keinen direkten Kontakt mehr haben.

00:25:41: Das hat, glaube ich, was Benni auch schon gesagt hat, das Ganze ein bisschen abgefedert, ein bisschen ziviler gemacht, weil man irgendwie halt da mit richtigen Menschen wahrnehmbarhörbar zu tun hat.

00:25:52: Und das andere, was da auch ein Stück weit weggenommen worden ist, ist halt das Online-Gaming.

00:25:56: Ja, das gab halt diese spielartigen Applikationen, wo man halt mit der Telefon-Tastatur Figuren bewegen konnte oder zusammen malen konnte oder zusammen Musik machen konnte,

00:26:06: indem man Samples ausgelöst hat, das hat überhaupt nicht funktioniert.

00:26:08: Das ist nur Lärmwahl rausgekommen, aber das waren halt Interaktionsformen, die es zum Teil bis heute so nicht wieder gibt.

00:26:14: Aber also, wenn man sich jetzt guckt, was sind so Nachfahren von dem, was da geschaffen worden ist, ist halt ja, das Online-Spielen gehört da auf jeden Fall auch dazu.

00:26:22: Das ist ja auch letztlich auch wieder ein Kommunikationsmedium geworden.

00:26:26: Bevor wir jetzt zu den Leuten kommen, die euch besucht haben, was ich ja total spektakulär finde, also das kann ich mir ja schon total vorstellen,

00:26:32: dass die Nerds dann nicht dachten, okay, da muss ich jetzt hin, wenn ich da auch noch hin kann.

00:26:35: Also die Kameras, von denen du sprichst, die standen ja an verschiedenen Orten, die waren dann live zugeschaltet, also man konnte einfach vor die Kamera treten und konnte...

00:26:47: Es gab eine Anzahl von Kameras. Tillmann hat schon gesagt, dass wir hatten meistens eine hinter uns im Studio, dass man sozusagen sah, wie wir da arbeiten, so als Work-in-Progress.

00:26:59: Und dann gab es halt verschiedene Kamerainputs, also es gab einmal, hatten wir mehrere Kameras auf dem Dokumentergelände verteilt,

00:27:09: wo man sozusagen in einem sogenannten Entry Point hat, man hätte es genannt, das war so eine Stähle mit dem Monitor an der Kamera drin,

00:27:17: da konnte man hingehen auf den Knopf drücken und war dann online, also live online während der Sendung.

00:27:24: Egal, was gerade sonst lief, man konnte sich einfach reinschalten, okay?

00:27:28: Nee, das stimmt nicht, nicht bei jedem Modul, es gab also viele Koffehause, da gab es dann nicht, aber so bei diesem Coffee House, so hieß das Hauptmedul,

00:27:35: eben als Verweis auf diese Kaffeehauskultur Europas, wo man das Kaffeehaus bekommen konnte.

00:27:40: Genau, also jener Modul konnte man dann eben sich live zuschalten.

00:27:45: Und da hat es auch Kommunikation zwischen den Leuten, die das im Fernsehen gesehen haben und dem, der da vom Friedrichsernum gestanden hat gegeben.

00:27:51: Wer bist du denn? Was machst du denn da? Also es war kein besonders tiefsinnigen Gespräch, würde ich mal sagen, aber plötzlich war halt, ist halt diese geografische Barriere aufgehoben gewesen,

00:28:02: der weiß nicht 500 Kilometer von einem selbst entfernt gewesen ist.

00:28:06: Gut, das was du gerade beschreibst, betrifft wahrscheinlich auch auf 90 Prozent der heutigen Interaktionen online zu.

00:28:10: Also das ist da sonderlich tiefgründig. Aber okay, anderes Thema.

00:28:12: Ganz, ganz wichtiges Bildelement waren diese sogenannten Panasonic Picturephones,

00:28:18: die damals auf den Analogentelefonleitungen in 20 Sekunden ein schwarz-weißes Strandbild übertragen konnten.

00:28:25: Und die hatten wir in eine Zahl gekauft und an verschiedenen Stellen verteilt,

00:28:29: bzw. dadurch war halt möglich, dass man Live-Bilder in Kombination mit einer Telefonverbindung,

00:28:39: also Tontelefon und dann ein Standbild übertragen konnte.

00:28:43: Das haben wir aus verschiedenen Ländern gemacht.

00:28:45: Es gab auch verschiedene Interaktionen über ISDN-Bildtelefone,

00:28:50: die wir an verschiedenen Orten verteilt hatten, unter anderem eine WG in Göttingen, die das zu Hause hatten.

00:28:56: Und es gab natürlich dann auch Zuschaltungen aus verschiedenen Gegenden der Welt.

00:29:01: Also wir hatten eine Zusammenarbeit mit NHK, die einen eigenen Zuspielkanal hatten für eine Sendung.

00:29:08: Dann hatten wir über einen Satelliten von der Telefonverbindung nach Moskau.

00:29:14: Also es gab durchaus die verschiedensten Medien natürlich auch in diesem experimentellen Charakter zusammengeschaltet,

00:29:21: um zu sehen, was dann passiert.

00:29:23: Also auch ein sehr europäischer, obwohl jetzt hk mit dazu kommen,

00:29:26: ein sehr europäisches, sehr so Grenzenübergreifendes Projekt Anfang der 90er war das ja auch ein Ding.

00:29:32: Die Leute waren hoffnungsvoll.

00:29:33: Zumal das jetzt 92, das war halt drei Jahre nach dem Fall der Mauer,

00:29:37: da in Prag oder in Moskau überhaupt erstmal Leute zu finden, die so etwas mit ermachen wollen.

00:29:42: Das hätte nicht jeder gekonnt.

00:29:46: Da spielte auch die Vergangenheit, also der Vorläufer von Piazza Virtuale und von Van Gogh TV,

00:29:51: das haben wir gerade schon gehört, war diese Performance-Gruppe Minus-Delta-T,

00:29:54: die halt Teil ihrer Arbeit auch immer sehr viel kreis sind und dadurch ein sehr gut ausgebautes Netzwerk und Kontakten haben.

00:30:01: Und diese Kontakte, die hatten dann zum Teil auch eigene Ateliers oder eigene Produktionsräume.

00:30:05: Eine Hochschule oder in Prag und so weiter.

00:30:08: Genau, und die haben dann halt diese bildtelefone, diese primitiven Bildtelefone bekommen

00:30:16: und waren dann die sogenannten Piazettas, also so kleine Mikrostudios,

00:30:20: die aus anderen Ländern Deutschlands oder aus anderen Ländern Europas gesendet haben.

00:30:24: Vielleicht, das haben wir am Anfang gar nicht erklärt, der Name Piazza Virtuale ist natürlich auch

00:30:30: nicht ohne Hintergedanken gewählt worden.

00:30:32: Also die Piazza in Italien ist ja auch so ein Treffpunkt, wo man sich trifft

00:30:35: und das sollte eben durch dieses Programm in den neuen öffentlichen Raum der elektronischen und online Medien verbracht werden.

00:30:45: Es war halt auch so eine Zeit von Cyberspace, virtuelle Welten, sich treffen in virtuellen Welten.

00:30:53: Übrigens hatten wir in Berlin auch ein ganz tolles Studio, damals Rudi Stört, der inzwischen gestorben ist,

00:31:02: die damals sehr viel Interaktion gemacht haben und ich denke mal so eine,

00:31:07: wir haben zumindest einen wichtigen Beitrag zum Entstehen einer Medienkultur Szene in Berlin geleistet seinerzeit.

00:31:15: Und ich mein, es nimmt so viel vorweg von dem, was dann nicht mal zehn Jahre später für viele Leute

00:31:25: eigentlich schon wieder fast eine Alltäglichkeit oder so ist, ohne aber eigentlich wahrscheinlich zu ahnen,

00:31:32: dass das jetzt gleich kommt oder wie war das damals?

00:31:35: Das glaube ich nicht, also ich erinnere mich immer wieder sehr genau an dieses Gefühl, was wir hatten.

00:31:41: Also es war wirklich dieses Gefühl, wir tun jetzt genau das Richtige und das erzeugt so eine schlafwandlrische Sicherheit,

00:31:49: die einen überhaupt eigentlich erst diese Leistung erbringen lässt, dass man weiß,

00:31:53: dass man an der richtigen Stelle zur richtigen Zeit ist und das Richtige tut.

00:31:57: Und gut viele Dinge sind anders gekommen.

00:32:00: Also wir haben zum Beispiel kein Piazza-Virtuale als Fernsehen, als Fernsehereignis war halt auch immer nur das,

00:32:08: was es im Fernsehen gab. Also es gab keine dahinter liegenden Datenbanken, es gab keine Algorithmen,

00:32:13: es gab keine versteckte Kommunikation und natürlich hat auch der Fernsehbildschirm mehr als Interaktion

00:32:21: von vielleicht 10, 20 Leuten maximal erlaubt, danach ging auch nicht mehr.

00:32:27: Aber das sind alles Begrenzungen, die wir später begriffen haben.

00:32:30: Aber ich glaube schon, dass wir sehr genau wussten, was wir da taten oder beziehungsweise, dass es richtig war.

00:32:37: Aber ich meine eher, ob man irgendwie, ob ihr vielleicht schon so ein Einblick daran hattet,

00:32:45: okay, das wird kommen, das werden alle, das wird so alltäglich sein?

00:32:50: Spannendes Thema, also wir hatten ja jetzt sozusagen auf der, also das war ja nicht die erste Fernsehsendung,

00:32:57: die wir gemacht haben, wir haben verschiedene Formate gemacht in verschiedenen Bereichen.

00:33:01: Also danach haben wir eine 3D-Kommunikationswelt namens Service Area gemacht,

00:33:06: die meiner Meinung nach mindestens genauso bahnbrechend war,

00:33:10: weil sie halt diesen ganzen Cyberspace-Gedanken nochmal verstärkt untersucht hat.

00:33:16: Davor gab es eine Sendung, die eine Spiele-Show hat mit Publikum, das war auch wirklich unglaublich.

00:33:23: Aber... Entschuldigung, jetzt habe ich den Faden verloren.

00:33:28: - Ist überhaupt nicht... - Du kannst dir gerne ein Thema berichten.

00:33:32: - Wenn ihr mir das schon mal gerade angedeutet, dass da letztlich Sachen,

00:33:35: die uns heute geläuft sind, die Mediengegenwart geworden sind,

00:33:41: halt eigentlich einen falschen Medium stattgefunden haben.

00:33:43: Das Fernsehen, wie du schon gesagt hast, da fehlen bestimmte Speicherelemente,

00:33:46: da fehlt so ein ganzes Backend hinten dran,

00:33:51: dass halt solche Sachen auch langfristiger betreibbar machen ließe.

00:33:55: Und das hat es da nicht gegeben und deswegen...

00:34:00: - Also, vielleicht ist das auch nochmal so ein Punkt, also...

00:34:05: - Ich glaube, es gibt wenig Zweifel darüber, dass wir ein Bahnenbrechen des Medien-Experiments gemacht haben.

00:34:09: Trotzdem ist eigentlich die Resonanz erstaunlich gering, was wir auch immer wieder feststellen müssen.

00:34:16: Und ich frage mich halt, woher das kommt.

00:34:17: Also, ob das sozusagen zu früh war oder zu anders war oder...

00:34:23: Also, das ist für mich bis heute unverständlich, dass das sozusagen nicht bekannter geworden ist.

00:34:30: - Ich habe ein Ding... Aber Thielmann, was denkst du?

00:34:33: - Ja, also ich kann mich dann nochmal wiederholen.

00:34:35: Es war halt Zeit... Also, es hat so ein Zeitgeist aufgenommen.

00:34:41: Es gab ja damals vielleicht auch diese ganzen Cyberpunk-Romane von William Gibson solchen Leuten.

00:34:45: Und da kamen so diese Forschung von so einer Welt, wo alles online ist,

00:34:49: wo es Avatare gibt, wo man sich in virtuellen Realitäten trifft.

00:34:52: Das wurde da schon literarisch beschrieben und das war wahrscheinlich auch teilweise eine Inspiration

00:34:56: für einige von den Leuten, die da mitgemacht haben.

00:34:58: Aber ich denke halt, der Grund, warum das nicht... Also, es hat ja damals Resonanz gehabt, so war es ja nicht.

00:35:05: Aber warum das heute nicht stärker Teil der kanonischen Geschichte der Online-Medien geworden ist,

00:35:10: weil es halt ein vollkommen anderen Medium stattgefunden hat.

00:35:12: Da sind halt solche Sachen wie "The Well" beispielsweise,

00:35:15: die als Mailbox den Chat zum Beispiel vorweggenommen haben und E-Mail und so weiter und so fort.

00:35:22: Das hat auf jeden Fall schon mal Computerbasis gehabt.

00:35:25: Das waren schon miteinander vernetzte Rechner.

00:35:28: Also da sieht man eher dann den Bezug zu unserer medialen Internetgegenwart

00:35:32: als bei was, was beim Fernsehen stattgefunden hat.

00:35:36: Also im Prinzip haben wir ja auf ein analoges Fernsehen etwas aufgepflanzt,

00:35:42: was da eigentlich nicht hingehört, so letzten Endes.

00:35:44: Also wir haben eine technische Möglichkeit genutzt,

00:35:47: aber vielleicht war das auch, hat das auch seine Grenzen damit gefunden.

00:35:53: Was ich aber noch sagen wollte ist, wir hatten sozusagen ja eigentlich ein fertiges Konzept am Ende,

00:36:00: wie man hätte weitermachen können.

00:36:01: Und erstaunlicherweise hat weder ZDF noch irgendjemand trotz wiederholter Versuche

00:36:07: ist darauf eingegangen, sowas weiterzumachen.

00:36:09: Also es hat andere Sendungen gegeben, das will ich nicht vergleichen, aber es hat Giga gegeben,

00:36:15: es hat 9 Live gegeben, es hat verschiedene Interaktionsmodelle gegeben,

00:36:20: die zum Teil auch Geld eingespielt haben.

00:36:24: Wir hätten eigentlich einen Kern eines einen des neuen Sendeformats entwickelt gehabt,

00:36:30: aber keiner wollte das aufnehmen.

00:36:31: Also und das ist natürlich auch nochmal vielleicht diese Brücke,

00:36:37: dass es eben Kunst war und kein Investment.

00:36:40: Also wir haben ja tatsächlich 2,5 Millionen dem Markt damals an Sponsoring direkt oder indirekt aufgetrieben.

00:36:47: Aber dieses Geld war halt mit Senatentum und kein Investment.

00:36:53: Also wenn es ein Investment gewesen wäre, hätte man halt danach gefragt, wie geht es weiter,

00:36:58: können wir daraus irgendwas machen, was kostet das, was bringt das und das hat doch nicht passiert.

00:37:04: Also einer meiner Annahmen ist, es versendet sich, es ist weg.

00:37:10: Also es ist halt einfach weg, auch wenn man per Videorekord aufzeichnet oder irgendwas.

00:37:13: Niemand guckt sich dieses, also es ist wirklich es versendet sich.

00:37:16: Und in dem Moment, wo, wie ihr sagt, kein Datenfundament dahinter steht,

00:37:20: wo eine Archivierung dahinter steht, die ermöglicht, das abzurufen und sich das zu vergegenwärtigen,

00:37:25: ist es beim Fernsehen meiner Meinung nach raus aus den Gedanken der Leute.

00:37:30: Was man auch da, also du hast es gerade dann gleich nochmal aufgenommen.

00:37:33: Natürlich gab es auch da eine Ahnung, Versuche sowas ähnlich zu machen.

00:37:36: Und die waren auch gar nicht so erfolglos, meine ich, Giger, lief eine ganze Zeit lang.

00:37:39: Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt auch schon persönlich gar kein Fernsehen mehr geguckt habe,

00:37:42: weiß ich aber, dass es das gab und dass das genau so eine Konvergenz aus verschiedenen Sachen gemacht hat.

00:37:49: Und kann ja nicht komplett erfolglos gewesen sein, weil das war ein kommerzielles Produkt.

00:37:53: Aber auch da, ich wüsste nicht, dass jetzt da große Wellen von Leuten sich darüber noch Gedanken machen,

00:38:00: was bei Giger den ganzen Tag gelaufen ist und wie das war.

00:38:03: Und auch da war eine Interaktion, wohingegen, wenn ich mir angucke, vielleicht alte Fo,

00:38:07: also aber vielleicht wissen wir es auch gar nicht, vielleicht liegen wir auch alle komplett,

00:38:10: also liegen wir da auch so ein bisschen falsch.

00:38:12: Es muss ganze Foren, Leichenberge geben, wo Leute mal irgendwann sehr engagiert über einen Thema diskutiert haben

00:38:19: und heute nicht mal mehr jemand weiß, dass das Forum noch da ist, obwohl es wahrscheinlich sogar noch online ist.

00:38:23: Vielleicht ist es einfach Teil dessen, dass einfach bestimmte Sachen,

00:38:27: vielleicht durch Glück, durch Zufall mehr in den Kanon gespült werden als andere.

00:38:32: Wie sieht das der Medienwissenschaftler?

00:38:34: Ja, also zunächst mal muss man sagen, dass unmittelbar nach Piazza Virtuale einige von diesen Ideen

00:38:42: in anderen Fernsehsendungen aufgetaucht sind, so eine Kamera beispielsweise,

00:38:47: die man fernsteuern konnte, hat es in dieser RTL-Sendung der Namen jetzt gerade nicht einfällt gegeben.

00:38:51: Ich glaube schon, dass das viele Leute, die das damals gesehen haben, irgendwie inspiriert hat,

00:38:55: aber dass das Fernsehen halt geöffnet hat und man plötzlich gesehen hat,

00:38:58: das ist gar nicht dieses monolithische Einbahnsystem.

00:39:03: Und ja, also gerade bei der Berliner Piazza kann man halt schon sehen,

00:39:07: dass Leute, die da beteiligt waren, halt auch als Produzenten, dass die dann zu den Ersten gedürrt haben,

00:39:12: die hier ISPs angeboten haben und das Internet in Berlin mit aufgebaut haben,

00:39:20: die internationale Stadt, auch so ein lang Vergessenes, unheimlich revolutionäres,

00:39:25: ja schon auf Webbasis basierendes, soziales Medium.

00:39:31: Da gibt es die personelle Berührungspunkte von den Leuten, die das gemacht haben,

00:39:34: die vorher über Piazza Virtualen ein Stück weit medial sozialisiert worden sind.

00:39:38: Also das würde ich gar nicht so klein reden.

00:39:41: Also auf dieser Ebene hat es auf jeden Fall stattgefunden, wie Mediengeschichte geschrieben wird.

00:39:49: Da müsste man sehr weit ausholen, aber dazu war es einfach so singulär.

00:39:53: Also es hätte dann genau, es hätte im nächsten Jahr halt das halt Piazza Virtuale 2.0 geben müssen

00:39:58: und vielleicht irgendwann dann, als diese ganzen Privatsender aufgekommen sind,

00:40:01: halt einen eigenen Sender, der so funktioniert, Giga habe ich eigentlich noch gar nicht so drüber nachgedacht.

00:40:06: Da müsste man, vielleicht waren die Leute, die sich das damals ausgedacht haben,

00:40:10: fragen, ob die jemals was von Piazza Virtuale gehört haben, auszuschließen, ist das nicht.

00:40:13: Denn witzigerweise, so mit das aufmerksamste Publikum für diese ganze Sendung, waren Kinder und Jugendliche.

00:40:19: Die Samen nämlich, das war ja im Sommer, da hatten die alle Ferien und saßen, wenn sie nicht im Schimmert waren, zu Hause.

00:40:27: Und im Vormittagsprogrammen unter der Woche lief dieses komische Format.

00:40:31: Und das sieht man auch, nimmt man auch durch diese Anrufe wahr, da haben viele Kinder angerufen.

00:40:37: Das war auch nicht so Sinn der Sache und das waren die Eltern auch glaube ich nicht so gut,

00:40:41: weil die zum Teil damit beträchtliche Gebühren aufgehäuft haben.

00:40:45: Zu der Zeit haben ja Ferngesprächen noch ziemlich viel gekostet.

00:40:48: Aber was da bei wem, welche Prozesse im Hirn ausgelöst hat,

00:40:54: das ist auch jetzt durch diese Recherche, die wir da im Rahmen von diesem DFG-Projekt, das ich gemacht habe.

00:41:01: Ich habe sogar versucht, Leute zu finden, im Internet Suchanfragen veröffentlicht und bei den sozialen Medien.

00:41:09: Aber da war der Rücklauf nicht so riesig, was er wahrscheinlich auch mit der dezentralen Natur der Medienlandschaft heute zu tun hat.

00:41:19: Und Teil davon sind wir, aber wir rufen jetzt trotzdem dazu auf.

00:41:23: Ich leite diese Mäße natürlich weiter, podcast.golem.de, das geht dann direkt an Tilmann und wer weiß, wofür es gut ist.

00:41:29: Aber ich frage jetzt nochmal kurz zu den Leuten, die euch besucht haben.

00:41:32: Wie war das? Also wie hat das auf euch gewürgt?

00:41:34: Ganz kurz noch, meine persönliche Konsequenz aus diesem Projekt war dann letzten Endes der Kulturserver,

00:41:41: der nämlich diese ganzen Elemente enthalten hat, die in Piazza Virtuale gefehlt haben.

00:41:48: Also es gab eine Datenbank, man konnte sich eine Homepage bauen, es gab eine permanente Existenz in diesem Netzwerk

00:41:55: und wir hatten am Ende tatsächlich ungefähr 20.000 Kulturschaffende, also wir reden jetzt über Ende der 90er Jahre so.

00:42:03: Aber wie gesagt auch das ist ein Experiment, was zu Ende gegangen ist.

00:42:08: Vielleicht dazu muss man noch verstehen, wie sah eigentlich Piazza Virtuale lokal wirklich aus.

00:42:17: Das waren 20 Baucontainer, die wir in dem Friderizianum in Kassel hinter dem Friderizianum aufgebaut hatten.

00:42:26: Es war ein sehr schöner Sommer, also zum Teil brütend heiß, aber wir hatten wirklich laue und heiße Nächte da.

00:42:35: Und es war auch ein Ort, der interessant war, also wir hatten zwei Etagen Studio, unten waren Büros, oben die Fernsehstudios, auch mit der Roboterkamera.

00:42:44: Wir hatten eine kleine reale Piazza, also wo wir so ein paar Tische und Stühle aufgestellt haben.

00:42:49: Und es war wie so eine kleine Wagenburg, eine Installation in Kassel und da haben wir tatsächlich eine Zahl von Partys veranstaltet,

00:42:57: wo wir zum Teil mit lokaler Interaktion mit den Pizzabäckern oder mit verschiedenen anderen Leuten was gemacht haben,

00:43:03: aber eben auch mehrere größere Partys gefeiert haben, mit den Leuten, die sich in die Auto gesetzt haben und uns besucht haben.

00:43:11: Was dann auch wieder im Fernsehen übertragen wurde, Link Boiler Room.

00:43:18: Also das ist schon wirklich spektakulär und von denen, also ihr habt das vorhin so ein bisschen angeriffen, das waren dann eher so Satelliten Nerds?

00:43:28: Ja, vielleicht nochmal ganz grundsätzlich zur Technik, also Dreisat ist ja ein Netzwerk, was Kabel und Satelliten basiert in ganz Europa existiert.

00:43:39: Das war auch sozusagen unser ursprünglicher Startpunkt, wir wollten mal schwarz senden und dann hat man uns halt diesen Zugang zum Dreisat-Netzwerk angeboten.

00:43:48: Also der inzwischen verstorbene Hannes Leopolds-Eder von Dreisat war der Intendant, also vom ORF und damit eben bei Dreisat.

00:43:58: Und das war sozusagen die eine Schiene, das ging also über Glasfaser und die üblichen Verteilwege des Fernsehens, aber dann war es halt so,

00:44:08: die ESA hatte eine Experimentalsatelliten Olympus 2, der testweise dafür gestartet war, direkt Fernsehen zu machen.

00:44:15: Das heißt, wenn man einen Aplinkort hatte, also eine Satellitenschüssel, konnte man auf diesen Satelliten senden und den wiederum direkt mit Satellitenschüssel empfangen.

00:44:27: Das haben wir auch gemacht, also die Telekom hat uns eine 7 Meter lange große Schüssel da nach Kassel gestellt,

00:44:34: wo wir dann halt abends das Ding angeschmissen haben und auf einen eigenen Satelliten gesendet haben, was natürlich irre ist.

00:44:40: Also vom Gefühl alleine, der Satellit erzeugt eine drittel Sekunde Verzögerung, also wenn man da Videofeedbacks macht, dann kommen die ersten Sachen dabei raus.

00:44:49: Und diese Szene, die hat halt als bekannt wurde, dass die Satellit verfügbar war, haben die halt ihre Schüsseln ausgerichtet mit ihren Motoren und haben halt dann diese spezielle Sendung.

00:45:02: Und vielleicht ist sogar der kleinere Kreis damals wichtig gewesen, weil es irgendwie ein Thema war und man sich kannte zum Teil in ganz Europa empfangen und haben halt diese Interaktionen dann in dieser Gruppe gemacht.

00:45:17: Und da sind wir, wir schwenken in Richtung Ende.

00:45:21: Und ein Stichpunkt, den ich mir noch gemacht habe, ist, wie das virtuelle ins Reale hinein wirkt. Wie Leute, die vielleicht dann in dem Fall, die vielleicht was getippt haben oder die irgendwas in den Telefon gesprochen haben mit Leuten, die von der Kamera stehen, interagieren, wie ein reale Kruder hinter sitzt, die das Ganze beobachtet, die ganze Zeit über und sich ja auch ihre Gedanken macht so.

00:45:47: Das ist schon auch so ein Gesamtkunstwerk.

00:45:50: Gut, also es ist ja vielleicht nochmal ganz wichtig.

00:45:54: Normalerweise hat man ja die Produktionssituationen klassisch im Fernsehen nicht transparent.

00:46:00: Also das heißt, es gibt einen Regierau mit einer dicken Glasscheibe, da hat man nicht hört, was drin und draußen stattfindet.

00:46:08: Es ist alles schön abgeschirmt, das ist alles ganz anders.

00:46:13: Inzwischen sieht man ja mal eine Kamera durchs Fernsehbild schwenken oder so, aber das sind natürlich Dinge, die wir damals ganz bewusst eingesetzt haben.

00:46:20: Das heißt, es war alles transparent.

00:46:22: Also wenn ich irgendwo einen Regler hochgeschoben habe, dann hat man das vielleicht sogar direkt im Fernsehen gesehen.

00:46:28: Und die Menschen, die dahinter standen, waren halt auch in jedem Moment da und natürlich auch bekannt und auch namentlich bekannt.

00:46:35: Und das war natürlich auch so eine eigene Interaktion sozusagen.

00:46:40: Also wenn man sich die Mitschnitte von den Satellitenaufnahmen anguckt, die sind wirklich ganz anders als beim Fernsehen.

00:46:46: Beim Fernsehen wurden halt immer so vier Zufalls-Anrufer zusammengewürfelt, wo dann halt auch die Berufungspunkte erst mal eroiert werden mussten.

00:46:53: Und dann waren die auch nach 10 Minuten auch wieder aus der Leitung draußen.

00:46:57: Da hat sich eigentlich, und das ist vielleicht auch so ein Konstruktionsfehler im Nachhinein gewesen, dass sich da nicht längerfristige Kontakte oder Gesprächsthemen oder Interaktionsgründe entwickelt haben.

00:47:09: Aber diese Leute, die da über den Satellitenübertragung angerufen sind, die kannten sich nachher, die haben sich besucht.

00:47:16: Die wussten, was miteinander passiert ist.

00:47:19: Also ich glaube, es hat jetzt klar keine Ehen gegeben, die daraus hervorgegangen sind.

00:47:22: Aber da hat sich auf jeden Fall, wie gesagt, so eine virtuelle Gemeinschaft gebildet.

00:47:27: Da gab es halt diesen einen Kandidaten, der so oft angerufen hat, dass er zum Schluss das Telefon abgeklemmt bekommen hat, weil seine Telefonrechnung nicht mehr bezahlen konnten.

00:47:35: Das wussten die anderen dann schon und weiß nicht, ob sie finanziell geholfen haben.

00:47:40: Aber die haben auch dann angefangen, untereinander ohne diese Vermittlung über den Satelliten zu kommunizieren.

00:47:46: Interessantes Thema eigentlich nochmal, um eine ganz wilden Schwenk zu machen.

00:47:51: Wir haben ja ungefähr für die Telekom eine Million Telefongebühren erzeugt, dadurch, dass die Leute angerufen haben.

00:47:59: Also es waren ja zum Teil 110.000 Anrufer pro Stunde.

00:48:03: Man hat es ja erzählt, die Geschichten sind bekannt von den Eltern, die die monatliche Telefonrechnung bekommen.

00:48:11: Und das waren halt Ferngespräche damals und die Hände über den Kopf zusammengeschlagen haben.

00:48:17: Trotzdem war die Telekom nicht bereit, über einen Sharing der Einnahmen zu reden.

00:48:22: Was eigentlich heute gang und gäbe ist, dass man, wenn man gemeinsam was macht, das dann sozusagen irgendwie auch geteilt wird.

00:48:29: Und das wäre sicherlich eine interessante wirtschaftliche Grundlage gewesen damals.

00:48:34: Mit Sicherheit hätte aber wahrscheinlich auch neue rechtliche Probleme zu Tage gebracht.

00:48:39: Also in dem Moment, wo man selbst daran so profitiert, das ist wiederum, jetzt kann man auch noch nicht, ganz am Ende.

00:48:48: Da ist für mich nochmal die Frage, du hast es vorhin gesagt, dass kollektiv und wichtig ist.

00:48:51: Vor allem war dir auch, dass nicht jetzt hier irgendwie das zugeschnitten wird auf einer Person,

00:48:55: einer, sondern dass ganz viele Leute da auch mitgearbeitet haben, ist dieses kollektive Arbeiten oder diese Atmosphäre,

00:49:04: war das halt vielleicht auch was Besonderes, dass eben nicht es darum ging jetzt kommerziell,

00:49:09: wir machen jetzt die Sendung Y die Zehnte, wo wieder einer irgendwie bunt gefiedert durch die Ränge rennen muss

00:49:16: oder Leute sich anschreien müssen, damit es irgendwie eine bisschen Quote gibt, war das vielleicht irgendwie auch ein entscheidender Punkt?

00:49:21: Also ich habe es ja schon ein bisschen erzählt, es war wirklich anstrengend.

00:49:24: Und wir haben gemeinsam im Haus außerhalb von Kassel gemietet gehabt, wo wir alle gelebt haben.

00:49:30: Und das war schon so, wer zieht denn heute wieder in die Schlacht?

00:49:34: Also es war schon so, aber trotzdem war es natürlich erst mal getrieben durch die Freude an dem, was wir da gemacht haben

00:49:44: und nicht irgendwelche Hintergedanken, da ging es nicht um Macht, da ging es nicht um Beeinflussung,

00:49:49: da ging es einfach um frei laufen lassen, zu ermöglichen und zu gucken, was passiert und das ist natürlich ein ganz großer Teil der Freude gewesen.

00:49:58: Und exakt das Gegenteil von dem, wie Fernsehen normalerweise funktioniert und damit gehen wir in Richtung Ende mit einem Unfären,

00:50:08: aber zumindest sollten wir es auf jeden Fall machen, dem Vergleich zu den heutigen sogenannten sozialen Medien.

00:50:15: Es gibt heute mal abgesehen davon, wie das Ganze sich sowieso entwickelt und dass Leute immer mehr ihre Sachen ausleben,

00:50:22: die normalerweise gar nirgendwo ausleben würden, wenn sie sich nicht anonym fielen würden.

00:50:26: Aber es gibt auch diese Art von Leuten, denen es Spaß macht, in den anderen Leuten richtig auf den Nerven zu gehen, diese sogenannten Trolle.

00:50:34: Gab es damals Trolle?

00:50:36: Ja, also da haben wir schon diverse Beispiele bei diesen Anrufen gefunden, wo sich Leute für …

00:50:42: Also das ist ja auch ein wichtiges Thema im Internet bis heute, Spiele mit Identität, dass man sich als jemand anders ausgibt, als der Mann ist.

00:50:50: Besonders beliebt war das im Kontext von dem "Women's Coffee House".

00:50:55: Also das war damals auch schon eine Idee, was man halt auch so Kommunikationsräume schaffen sollte, die Frauen zum Beispiel für sich selbst haben.

00:51:05: Und da sollten halt auch nur Frauen anrufen und natürlich um der Männer anrufen, sie als Frauen ausgegeben oder sich doch beschwert, dass sie da ausgegrenzt werden.

00:51:12: Also genau die Debatten, die man bis heute hat, also das kann man schon als "Trollen" bezeichnen.

00:51:16: Und dann gab es ja wie gesagt auch Leute, die halt Optionitäten loswerden wollten oder sich politisch, extremistisch geäußert haben.

00:51:26: Und zum Teil auch das Gefühl hat, das machen die auch, um andere zu provozieren.

00:51:29: Das scheint irgendwie so eine Grundkonstante dieser Art von vermittelten, nicht direkt persönlichen Kommunikation zu sein.

00:51:35: Dass das auch das schlechteste, was den Leuten hervorbringt oder eben auch solche Masken-Spiele irgendwie möglich macht, die dann weitlich ausgenutzt werden.

00:51:44: Wie siehst du das, Benjamin? Hast du da jetzt heute, wenn du in dieses Internet guckst, schon gleich irgendwie kriegst du da noch mehr graue Haare einfach deshalb, weil du auch Teil von dem Anfang von dem Ganzen hast?

00:51:54: Also Tillmann hat ja die, sagen wir auch sicherlich, journalistisch ausgerichtete These in den Raum gestellt, dass wir da die Sozialmedien auf der Dokumente erfunden haben, was ja auch der Untertitel des Buches ist.

00:52:08: Möglicherweise ist das natürlich aus heutiger Sicht jetzt nicht das größte Lob, was man mitnehmen kann so.

00:52:15: Jetzt muss man dazu sagen...

00:52:17: Das wäre übrigens unsere Chance gewesen, wo wir alle drei hätten lachen können.

00:52:21: Okay, geht hier drunter. Alles klar? Ja.

00:52:26: Man muss dazu sagen, das Buch ist jetzt auch schon wieder ein paar Jahre alt. In der Zeit hat sich noch mal viel verschlechtert auf der Welt, also was soziale Medien angeht.

00:52:36: Und das jetzt so ein bisschen verkürzt, aber meine persönliche These ist halt, dass soziale Medien in Kombination mit dem Smartphone eigentlich die Welt, wie wir sie heute nicht mehr mögen, geschaffen hat.

00:52:48: Und da ist die Frage so ein bisschen, welchen Beitrag wieder zu geleistet haben.

00:52:53: Also was man halt nicht vergessen darf ist, wir hatten keine Algorithmen gesteuerten Geschäftsmodelle dahinter.

00:53:02: Wir haben einfach Menschen miteinander reden lassen in einer ganz freien Form und das kann man ja heute alles nicht mehr sagen.

00:53:08: Also es ist ja eine jauche Grube geworden, die sogenannten sozialen Medien und was daraus wird, das sieht man ja jeden Tag, also muss jetzt nicht alles wiederholen.

00:53:22: Da muss man einmal nur Fernsehen oder was auch immer anschalten.

00:53:26: Ja, aber wie gesagt, das ist, ich glaube, das damals will mich damit nicht rausreden, aber mehr Unschuld dabei war und mehr einfach ausprobieren.

00:53:35: Ich finde es trotzdem guter, was wir gemacht haben, aber und vielleicht gibt es auch diesen direkten Bezug gar nicht, aber es sind halt doch eben wichtige Grundlagen gelegt worden.

00:53:47: Also ich sehe da auch, damit darf sich da irgendwie so ein Büßergewandt anzuziehen, eher im Gegenteil Piazza Virtuales, für mich eher ein Beispiel dafür, wie es auch hätte laufen können, wenn man das, wie gesagt, nicht im freien Markt übernommen hätte, überlassen hätte und auch nicht am Anfang eigentlich jede rechtliche Regulierung ausgeschlossen hat.

00:54:05: Das war ja Teil von diesen frühen Gesetzen, dass eigentlich die Provider oder die Plattform eigentlich keine Verantwortung für ihre Inhalte hatten und das war hier halt schon anders.

00:54:17: Wie gesagt, da ist schon vom Sender aus ein bisschen drauf geguckt worden, dass das nicht vollkommen aus dem Ruder läuft.

00:54:22: Also wenn man das Gedankenexperiment macht, wie wäre das gewesen, wenn man zu der Zeit ein öffentlich-rechtliches soziales Medium langfristig aufgesetzt hätte,

00:54:32: dann sähe das vielleicht die ganze politische Landschaft heute ganz anders aus und so würde ich Van Gogh TV und Piazza Virtuale eher im Gedächtnis behalten als die Vorläufer von ex und ähnlichen Plattformen für polarisierende und toxische Kommunikation.

00:54:51: Also wie jetzt auch nochmal so ganz klar gesagt, für mich war es ein sehr positives Beispiel davon, was hätte aus den sozialen Medien hätten werden können, wenn man sie anders betrieben hätte.

00:55:04: Und gut, es ist halt nicht so gekommen, dafür gibt es viele Gründe, die müssen wir jetzt hier nicht lange erläutern, weil das wäre noch mal eine weitere Stunde, aber es war sehr von Freude und von Entdecken getrieben und dass...

00:55:17: Selbst das Treuen war noch lustig.

00:55:18: Ja, ja, genau.

00:55:20: So heißt nicht, dass das ganze Leben bestimmt hat.

00:55:22: Ob es jemals ein öffentlich-rechtliches soziales oder nicht soziales Netzwerk dieser Art geben wird, wird man dann auf godan.de lesen und auch alles andere dazu wie sich diese Jauchegrube und aber auch die positiven, tiefen Aspekte des Internets weiterentwickeln ließ man dort, das ist der Werbeblock in eigener Sache gewesen.

00:55:42: Professor Dr. Tillmann Baumgärtel, Benjamin Heidersberger, vielen Dank für dieses sehr auflösreiche Gespräch über van Gogh TV, Piazza Virtuale und einen Versuch eines sozialen Netzwerks mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen Anfang der 90er Jahre.

00:55:58: Dankeschön.

00:55:59: Und vielen Dank fürs Zuhören.

00:56:00: Und ich bedanke mich auch.

00:56:02: Ja, danke, tschüss.

Kommentare (1)

Große Ohren

Nicht nur im Fernsehen habe ich das damals zur Documenta verfolgt (und chancenlos versucht anzurufen, das "Hallo? Hallo?" hat die Mitwerkenden wohl fast um den Verstand gebracht), ich durfte mir den Container auch mal ansehen. Das war wirklich bleeding edge von Nerds (im besten Sinne), technisch, wie künstlerisch. Danke an alle, die das Projekt durchgezogen haben.

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